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Thu, Apr

Erwin Léo Stocker: 80 Jahre - und kein bisschen müde

Gastronomie
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Foto artichox

Am 28. Mai 2017 feierte Küchenchef Erwin Léo Stocker seinen 80. Geburtstag. Wie könnte es anders sein: Anekdoten und Episoden aus seinem langen Berufsleben hat der der Jubilar einige auf Lager. So gerät ein Gespräch mit dem Chef alter Schule schnell zum unvergesslichen Erlebnis. Der einstige Seriensieger an Kochkunstausstellungen fing ganz unten an.  „20 Franken Monatslohn erhielt ich 1952 als 15-Jähriger im Kurhaus Alexanderhaus, in Davos ,“ erinnert sich Erwin Stocker. „Ich war der erste Kochlehrling im Betrieb, der einen Lohn erhielt. Früher war Lehrgeld üblich“. Einen Berufsberater habe er übrigens nie gebraucht; für ihn war stets klar, dass er Koch werden wollte.

Bereits als Achtjähriger reiste Erwin Stocker in den damals viermonatigen Sommerferien von seinem Wohnort in Visp nach Zermatt, um in der Küche des Restaurants seiner Tante auszuhelfen. Freiwillig und mit Vergnügen, wie er betont. Mit Kinderarbeit habe dies nichts zu tun gehabt. So trat er bereits seine erste veritable Stelle mit sieben Jahren „Berufserfahrung“ an. Danach folgten die Wanderjahre als Commis. Eine harte Zeit, wie er sich erinnert. Trotz der vielen Arbeitsstunden war der anfängliche Monatslohn mit rund 200 Franken bescheiden. Doch er sammelte fleissig Erfahrungen in Erstklasshäusern wie dem Hotel Baur au Lac in Zürich und dem Park Lane Hilton in London. Seine damaligen Chefs, etwa „Monsieur“ Garçin im Baur au Lac, prägten und beeindruckten ihn durch ihre Charaktereigenschaften, Führungsqualitäten und Fachwissen. 1971 wurde Stocker zum Küchenchef im neu erbauten Hotel Metropole in Interlaken berufen und hielt dort während zehn Jahren die Stellung. In dieser Zeit übernahm er als Fachlehrer die Lehrlingsausbildung an der Gewerbeschule, war Prüfungsobmann und nahm an zahlreichen Kochkunstausstellungen sowie Wettbewerben teil. Die Liste der Auszeichnungen und Ehrungen aus dieser Zeit ist lang. Besonders erwähnt sei jedoch die Mitarbeit im Schweizer Nationalteam: 1976 errang er mit der Kochnationalmannschaft Gold und den Nationenpreis – damals die inoffizielle Weltmeisterschaft.
Nach dem "Metropole" war das Hyatt Hotel in Montreux die nächste berufliche Station, doch es zog ihn bald wieder nach Interlaken zurück. Im März 1984 erreichte er sein Lebensziel. Erwin Stocker übernahm die 50-Mann-Brigade des legendären Grand Hotels Victoria-Jungfrau. Doch auch nach seiner Zeit in einem der besten Luxushotels auf diesem Planeten blieb er nicht untätig: Er betrieb anschliessend das Unternehmen Stocker's Degusta, das er erst vor rund drei Jahren in jüngere Hände übergab. Und noch heute gibt er Gastspiele in Restaurants. Samstags ist Erwin Stocker neuerdings an seinem Marktstand in Interlaken anzutreffen. Dort kauft seine treue Kundschaft weiterhin seine Spezialitäten, etwa Patés und Terrinen. Untätigkeit liegt dem Jubilar auch mit dem Erreichen der Achtzigsten nicht. Sein Kommentar: „Ich koche seit 65 Jahren, und ich kann es auch jetzt nicht lassen“.
Altmodisch ist der Meister trotz seiner langen Praxis noch lange nicht. Der Anhänger der klassischen Küche setzt sich intensiv mit neuen kulinarischen Entwicklungen auseinander und würde wohl manchen modernen Manager mit seinen erprobten Führungsmethoden überraschen. Als ihn einst ein Besucher im Grand Hotel Victoria-Jungfrau erstaunt fragte, wie er die sichtlich hohe Disziplin seiner Mannschaft aufrecht erhalte: “Wer beispielsweise eine Minute zu spät zur Arbeit erschien oder wer vergass, eine frische Weste anzuziehen, musste der ganzen Brigade einen Aperitiv spendieren. Das war damals ein Kostenpunkt - bei einer 50-Mann-Brigade“, sagt Erwin Stocker trocken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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